Der eucharistische Jesus, Quelle des übernatürlichen Lebens
Teil II
Meine Töchter, wie außerordentlich und unglaublich es euch auch scheinen mag, das ist die Eigenheit des übernatürlichen Lebens: aus Gott seinen Ursprung nehmen, göttlicher Natur zu sein. Der Apostel zeigt es mit diesen gewagten Worten: „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin". Er fügt dann hinzu, indem er nichts sich selbst zuschreibt: „Nicht ich, sondern die Gnade Gottes in mir" und „Nicht, dass ich aus mit selbst etwas Gutes denken könnte, aber diese Kraft kommt mit von Gott". Dasselbe lehren uns auch die folgenden Worte Jesu an Nikodemus: „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen." „Ihr seid neu geboren worden - so schreibt der heilige Apostel Petrus - nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen: aus Gottes Wort. Und der Apostel Johannes sagt: „Allen aber, die ihn (das Wort) aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind." Das ist die Neugeburt aus Gott, das neue Sein des Menschen, ein neues Lebensprinzip, ein Prinzip übernatürlichen Lebens. Denken wir daran, dass die Nächstenliebe ihren Ursprung im Glauben hat, so wie die Wärme aus dem Licht und der Glaube von Gott. Die Offenbarung ist außerhalb der Reichweite der geschaffenen Kreatur, weil sie ein göttliches, kontingentes und freies Geschehen ist, auch wenn sie durch die ethischen Bedürfnisse des Menschen stark gefordert wird. Sie ist ein Geschenk der Gnade Gottes, der zu Gunsten seines Geschöpfes ein wenig den Schleier lüftet, der die Geheimnisse seines unergründlichen und unaussprechlichen Wesens bedeckt. Wenn also die Offenbarung ein Faktum des Übernatürlichen ist, so sind es auch der Glaube, die Liebe und das Lebe, das aus diesen beiden göttlichen Tugenden entspringt. Andererseits, wie kann man Gott sehen, ohne die Augen Gottes zu besitzen? Angesichts dieses unendlichen Lichtes sind die Augen des menschlichen Intellektes nämlich Finsternis und „die Finsternis hat ihn nicht erfasst". Wie könnten wir Gott lieben, so wie er ist, ohne ein vergöttlichtes Herz zu haben? Wie können wir uns mit Gott vereinen, da doch der Mensch ein von ihm unendlich verschiedenes Wesen ist? Was ist der Mensch, dass Gott selbst an ihn denkt und zu ihm kommt? Meine Töchter, rufen wir mit dem königlichen Propheten aus: „Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?". „Wer bin ich, dass ich Sohn des Königs werde?" fragt sich David. Ist es nicht vermessen, zu behaupten, dass Gott selbst unter den Menschen wohnt? Ist es nicht vermessen, zu sagen, dass man so erkennen und lieben kann, dass diese Akte der Erkenntnis und Liebe aus einem komplexen, göttlichen und menschlichen Prinzip entspringen, das keine hypostatische Union ist (es wäre ein schwerer Fehler, das anzunehmen), sondern eine rein akzidentelle Union? Dieses Leben, das mit Jesus in Gott verborgen ist, ist geheimnisvoll oder mystisch und man kann es auch Tod nennen, denn derjenige, der es lebt ist der Welt und den Geschöpfen erstorben und lebt ein himmlisches und göttliches Leben. Diejenigen, die dieses Leben führen werden Tote genannt, obwohl sie die wahrhaft Lebenden sind. Diejenigen, die hingegen ein nur sinnliches Leben führen, werden lebendig genannt, obwohl sie in Wirklichkeit tot sind. Jesus hat gesagt: „Wer sein Leben retten will, muss es verlieren", entweder durch einen effektiven Tod, wenn die Pflicht ruft, oder durch die Abtötung. Um Jesus Christus anzugehören und von ihm das Leben zu bekommen, ist es nötig, das Fleisch mit seinen Lastern und Begierden zu kreuzigen. Das heißt, dass die Entwicklung der so starken göttlichen Lebendigkeit die andere, lasterhafte und zum Bösen geneigte Lebendigkeit schwächt und quasi auslöscht - denn diese, die sich zu geringeren Gütern neigt, ist unvereinbar mit jenem lebenspendenden Hauch so hoher Natur.
Und doch: erscheinen nicht jene tot, die Gott auf wunderbare Weise in der Ekstase und Kontemplation über sich selbst erhöht? Oh, meine Töchter, wie schwierig ist es zu erklären, was man in dieser wunderbaren Vereinigung erlebt, die Unbeweglichkeit und Schweigen hervorruft, die Unterbrechung der Kräfte und Sinne, den mystischen Tod und das wahre Leben. Gesegnetes Schweigen, in dem Gott spricht und das Geschöpf schweigt! Gesegnete Unterbrechung, in der das Handeln des Leibes aussetzt, damit allein der Geist wirkt und glückliche Erhebung, in der der Geist aus sich selbst herausgeht, um sich zur Vereinigung mit dem Göttlichen zu erheben. Das übernatürliche Leben, welches seine Kraft wesentlich vom Geist Gottes erhält, der es hervorruft, nährt und stärkt, ist spiritueller Natur. Es ist größtenteils unsichtbar und wenn auch seine äußerlichen Manifestationen manchmal leuchtend sind, wie in der Verklärung Jesu auf dem Berg Tabor, so ist es doch den Sinnen normalerweise verborgen. Daraus resultiert dieser Hauch von Innerlichkeit und Intimität, der nach Tod schmeckt und in Wirklichkeit ein großes und tiefes Geheimnis ist. Deshalb kennen viele Seelen dieses Leben nicht und leben dösend in den mehr oder weniger lauten Ereignissen des natürlichen Lebens. Sie lassen sich von den mehr oder weniger aufgebauschten und schillernden Formen dieses Lebens blenden. Das übernatürliche Leben hingegen verläuft bei den meisten Seelen im Schweigen des Geistes, in Einsamkeit und Sammlung ab, wie ein zartes Veilchen, das verborgen im Wald blüht.
Für die Welt sind die Lebenden tot und die Toten lebendig. Aber für uns, Dienerinnen der Barmherzigen Liebe, muss die Welt tot sein, oder besser: wir müssen für Ihn und die Welt für uns gekreuzigt sein. Denken wir daran, meine Töchter, dass es nötig ist, den Leib des Herrn zu essen und sein Blut zu trinken, um in uns das ewige Leben zu bewahren. So hat er selbst es gesagt, als er seinen Jüngern die Einsetzung dieses wunderbaren Sakramentes versprochen hat. Und es kann nicht anders sein, weil nur Gott der Ursprung jenes Lebens ist und der Gottmensch Jesus Christus der einzige ist, der es uns vermitteln kann. Wo wollen wir die Fülle des übernatürlichen Lebens finden, wenn nicht in Gott? Es ist Teilhabe am göttlichen Leben. Diese Leben schien bestimmt, sich von Gott aus über die Menschen zu verbreiten wie das Licht, aber die Finsternis umhüllte den Menschen in einen dichten Schleier und das Licht wurde unter der Last der Finsternis der menschlichen Natur unterdrückt, die für die göttlichen Dinge blind ist. Der Nebel der Sünde, der noch dichter ist, ließ das Licht nicht schauen. Aber, siehe, „das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt". Dieses außerordentliche Ereignis vertrieb die Finsternis durch die physische Gegenwart Gottes auf Erden und teilte sich uns mit, verlieh uns das Leben. Das war die Auswirkung der Inkarnation. Durch göttliche Zeugung wurde Gottes Leben in den Menschen eingepflanzt und das Wort, das im Schoß der allerheiligsten Jungfrau Fleisch geworden ist, war dessen Urheber. In der zeitlichen Geburt Jesu liegt das Geheimnis unserer ewigen Wiedergeburt, denn weil Er aus der heiligsten Jungfrau geboren wird, sind wir aus Gott geboren. Der menschgewordene Gott hat uns die Möglichkeit und Wirklichkeit dieser göttlichen und menschlichen Lebens-Gemeinschaft in einem einzigen Subjekt geoffenbart. In diesem Menschen, dem Jesuskind im Stall von Bethlehem, erkennen wir die Fülle der Attribute der Gottheit, das Leben Gottes in all seiner Kraft. Wenn das Leben Aktivität ist, dann wirkt dieses Kind ohne Unterlass. Er sagt: „Der Vater ist am Werk und ich mit ihm". Er besitzt das gleiche Leben des Vaters, die Fülle des Lebens, jene Fülle, an der wir teilhaben und an der die Menschen aller Jahrhunderte und aller Völker und die Engel selbst teilhaben können.
Meine Töchter, Jesus ist der neue Adam, angedeutet vom ersten Vater aller Lebenden. Alle Fülle neigt zum Überfließen. Deshalb konnte Jesus, der die Fülle des göttlichen Lebens besitzt, nicht anders, als sie all denen mitzuteilen, die fähig wären, sie zu empfangen. So gab er jenen, die sie annahmen, die Macht, Kinder Gottes zu werden und diese Macht, Kinder Gottes zu sein, ist gleichbedeutend mit dem Recht, das göttliche Leben zu erlangen. Eine von euch fragt mich: „Madre, was ist die wesentliche und notwendige Bedingung dafür, dieses Recht zu erlangen? Es ist keine andere, meine Tochter, als dieses Leben zu empfangen. Deshalb teilt sich das übernatürliche Leben in der Eucharistie in überfließendem Maße mit, denn in ihr empfängt man auf vollkommenste Weise. Denken wir daran, dass Gott sowohl im Himmel als auch auf Erden verherrlicht wird. Für Jesus ist das Leben im Sakrament seiner Liebe ein seliges Leben, voll von unbeschreiblicher Liebe zu den Menschen, denen er sich ganz schenkt, mit Leib und Seele, und in dem er beständig das Opfer des Kalvarienberges erneuert. Daraus resultiert, dass dieses in sich selbst so glorreiche Leben, wenn es auch demütig erscheint, so fruchtbar an Segen ist für die Kirche, Prinzip jeder Gnade. Aus ihm strömen die Rechtfertigung für den Sünder und die Heiligung des Gerechten. Es ist ein wahrhaft übernatürliches Leben, denn um es zu erzeugen, ist nötig, dass Gott mit seiner Allmacht wirkt und die Wunder vermehrt - denn zu diesem Zweck muss der Lauf der Naturgesetze unterbrochen werden. Es ist ohne Zweifel das größte Wunder, das Jesus wirkt. Auch ist es nicht weniger wundersam, dass dieses Leben dem Tod ähnelt, denn es ist eine unblutige Hingabe. Die Welt zeigt, dass sie ihren Gott und Schöpfer in der Eucharistie nicht erkennt; im Gegenteil: sie flucht, beleidigt und verachtet ihn. Das alles bestätigt, dass das übernatürliche Leben der Eucharistie sehr nah ist. Zahlreiche Menschen wollen das Leben und suchen es fieberhaft, aber sie denken nicht daran, ihren Blick auf die Eucharistie zu wenden. Sie müssten die Augen öffnen und den Strom ewigen Lebens sehen, der vom Altar ausströmt und verstehen, dass die Eucharistie die Quelle eines glücklichen Lebens ist, eine unerschöpfliche Quelle, die aus dem starken Felsen Jesus Christus entspringt. Meine Töchter, vergessen wir nie, dass das zeitliche Leben sehr zerbrechlich, vergänglich und voll von Elend ist, während das Leben Jesu beständig, erhaben, einzigartig und unsterblich ist. Selig der Mensch, der es sich aneignet! Unglücklich, wer das Leben Christi nicht lebt! Meine Töchter, unser Leben sei Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Hingabe, Opfer und Liebe. In einem Wort: leben wir in Gott und für Gott. (El pan 8, 514-535)
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ultimo aggiornamento
05 settembre, 2013